Zuerst nach Klangkriegs
Geschichte. Wie haben Deine musikalische Ansichte entwickelt? Wie entstand
eure Band und woher eigentlich kommt der Name?
Wogegen fåhrt ihr den Krieg? |
Die Entstehung von Klangkrieg bedeutete
får uns eine radikale Entscheidung zu einem Schritt in eine neue Welt.
Tim Buhre und ich hatten bereits 1986 angefangen, Musik zu machen. Anfangs
orientierten wir uns noch an klassischen Popstrukturen, die Harmonieen
waren zwar dåster und schrg, aber entsprachen in ihrer Anordnung und der
rhythmischen Untermalung noch den gngigen Schemata. Wir arbeiteten damals
auch mit verschiedenen Sngerinnen und einem Gitarristen zusammen. Irgendwann
brachte Tim einen eigenartigen Text von Samuel Beckett mit ins Studio und
schlug vor, da wir den zusammen bearbeiten sollten. Der Text hie "Bing"
und åbte sofort eine starke Faszination auf mich aus. Er bestand aus rhythmisch
angeordneten, freien Assoziationen, die kaleidoskopartig wechselnde Zustnde
beschwrten: "Alles gewut...alles wei...nackter weier Leib...ein Meter
Beine aneinander wie genht...Licht Wrme...weier Boden...". Tim hatte
sich schon immer zu eigenartigen Texten und Zustnden hingezogen gefåhlt,
er ist der instabile Part in unserer Zusammenarbeit. Wir beschlossen, den
Text zu strukturieren und bestimmten Wortgruppen immer wiederkehrende Gerusche
zuzuordnen. Unsere Stimmen bearbeiteten wir mit Effekten, im Hintergrund
errichteten wir eine sich langsam verndernde atonale Klangwand. So entstand
unser erstes experimentelles Ståck, ohne Harmonieen, ohne durchgehende
Rhythmik. Das Ståck war so lang wie der gesprochene Text - ca. 15 Minuten
- und zwang damit den Zuhrer, nicht nur nebenbei, sondern mit voller Konzentration
und Hingabe zuzuhren. Man war gezwungen, IN DEN ZUSTAND der Musik EINZUDRINGEN.
Ich glaube, in diesem Moment wurde, wenn auch noch nicht offiziell, unser
Projekt KLANGKRIEG geboren. Kurze Zeit spter trennten wir uns von unserer
damaligen Sngerin und unserem Gitarristen und beschlossen, fortan rein
abstrakt vorzugehen, d.h. losgelst von Melodie, Harmonie und Rhythmus.
Waren Gerusche bis zu diesem Zeitpunkt nur eine Begleiterscheinung unserer
Musik gewesen, so råckten sie jetzt in den Mittelpunkt des Geschehens.
1987 benannten wir uns zunchst in KLANGKRIEG MANUFAKTUR, spter dann in
KLANGKRIEG um. Damit zogen wir eine Parallele zu den radikalen Theorieen
der Futuristen, die den Lrm der Grostadt als neue Hymne des industriellen
Zeitalters zelebrierten. Der Name KLANGKRIEG geht einen Schritt weiter
und bezeichnet den utopischen Zustand eines maximalen Lrmpegels, einen
Krieg der Klnge, einen Krieg der Sinneseindråcke und Informationen. In
jeder Grostadt ist eine solche Tendenz zunehmenden Lrm- und Informationspegels
auszumachen. Uns interessiert aber nicht die Reproduktion dieses Lrms,
sondern eine affirmative Annherung an das Rauschen der Welt, mit der Absicht,
Lrm als Musik zu interpretieren, ihn zu filtern, zu zerlegen, das Ohr
får die Gerusche des Alltags und die ihnen innewohnende Musik sensibel
zu machen. Es geht uns um eine radikale Poesie des Hrens. |
Betrachtet man eure
kånstlerische Schaffen, bemerkt man, da eure Musik sich viel zu mehr experimentellen
Bereich verndert ist. Nach welchen Zielen strebt ihr mit Musik? Ist sie
sich vor dem Formalismus bewahrt? |
Als Kånstler im Totenfrack sind wir
niemals vor Formalismen sicher. Aber alles, was wir tun, ist Teil einer
steten Entwicklung und kommt aus einer inneren Notwendigkeit. Eine allgemeine
Tendenz unserer Arbeit ist offenbar zunehmende Konzentration. Damit geht
manchmal ein Verlust charmanter Naivitt und Ungereimtheit einher. Unsere
ersten Verffentlichungen waren durcheinandergewårfelter, hnelten mehr
Film-Soundtracks. Zwar ist das erzhlerische, durchkomponierte Element
nicht verlorengegangen, aber wir haben gerade auf unserer letzten CD "Das
Fieber der menschlichen Stimme" Grenzen erforscht, die vielen Hrern schon
zu abstrakt, zu "kåhl" erschienen. So etwas passiert schnell, wenn man
eine bestimmte Entwicklung durchgemacht hat, und sich dann als Musiker
aus reiner Neugierde immer mehr von Erwartungsmustern entfernt. Wir langweilen
uns einfach bei Wiederholungen. So wie AUBE oder MERZBOW arbeiten wir nicht.
Bei diesen Kånstlern liegt eine starke Bindung an ein åbergeordnetes Klang-Konzept
vor, das nicht gendert, allenthalben variiert wird. Das wre uns zu eintnig
und formalistisch. Tim und ich konzentrieren uns bei jeder neuen CD auf
ein neues Konzept, da wir tendenziell, aber nicht dogmatisch, einhalten.
Obwohl die Mglichkeiten der Klangerzeugung und -bearbeitung immer mannigfaltiger
und verwirrender werden, beschrnken wir uns beim Komponieren zunehmend
auf Wesentliches, um klare Aussagen machen zu knnen. Technik verstehen
wir nur als Werkzeug zur Umsetzung unserer Ideen. Wir beherrschen sie,
aber befassen uns nicht viel mit ihr. Insgesamt knnte Tim eher als Ingenieur,
ich eher als Komponist bezeichnet werden. Er baut Gerte, entwickelt Klnge,
ich kåmmere mich um die Struktur und Dramaturgie der Musik. |
Du hast konzertiert
oft. Ist die Studien-Arbeit nicht so interessant wie Konzert-Auftritte?
Wie sind Deine Gefåhle an Performance-Art insgemein? |
Das Leben ist interessanter als das
Studium. Im Studium wollte ich nur Dinge lernen, die mir von Natur aus
nicht so leicht fallen. Dort habe ich mich im Zeichnen und im Video- und
Animations-Film geåbt. Diese Erfahrungen gehen aber mit der Musik Hand
in Hand. Ich sehe mich nicht als reinen Musiker, auch wenn mein Herz im
Inneren des Ohres schlgt. Ich interessiere mich får Krach, Sci-Fi Pop,
Film, Hrspiel und Exstase. Kurz gesagt: får elektronischen Anarchismus.
Bei Konzerten kann ich direkt mit anderen Menschen kommunizieren. Das ist
ein kollektives Erlebnis, bei dem ich meine Person als Risikopotential
einsetze. Wenn ich åberzeugend bin, bekomme ich Beifall, wenn ich schlecht
bin oder auf der Båhne åberflåssig wirke, werde ich ausgebuht. Darum treten
viele Elektronik-Nerds konsequenterweise auch nicht auf. Im Zeitalte |